Warum Arbeit ohne Sinn krank macht

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Drei von vier Arbeitnehmern in Deutschland sind frustriert im Job. Sie machen nur noch Dienst nach Vorschrift oder haben innerlich bereits gekündigt. Was fehlt Millionen von Menschen in einem der reichsten Länder der Welt? Eine starke Vision, sagt der Berliner Master Life Coach Michael Obert.

Michael, macht dich dein Jobglücklich?

Sehr. Ich habe den schönsten Beruf der Welt.

Auch am Montagmorgen?

Ja. Vielleicht sollten wir zwischen Beruf und Job unterscheiden. Ein Job ist etwas, wovon du lebst. Ein Beruf ist etwas, wofürdu lebst, was dir Freude bereitet und dich erfüllt. Als Coach habe ich mich für einen Beruf entschieden.

Laut dem Marktforschungsinstitut  sind 85 Prozent der Arbeitnehmer in ihrem Job so frustriert, dass sie nur noch Dienst nach Vorschrift machen oder schon innerlich gekündigt haben.

Richtig. Und das ist fatal. Aktuelle Studien zeigen klar: Arbeit ohne Sinn macht krank. Wer seinen Job nicht erfüllend findet, hat öfter Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen. Berufungsarbeiter hingegen schöpfen Kraft und Motivation von innen. Sie sind nicht nur gesünder, sie gehen auch mit deutlich mehr Leichtigkeit und Freude durchs Leben.

„Berufungsarbeiter“ hört sich, mit Verlaub, etwas kitschig an. Die Frage ist doch bei vielen Menschen eher: Reicht der Verdienst zum Leben?

Einkommen ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Die Menschen, die zu mir ins Coaching kommen, stellen sich aber meist ganz andere Fragen: „Was will ich wirklich? Wie kann ich meine Arbeit selbstbestimmter gestalten?“ Und vor allem: „Wozu das alles?“ Was unsere Berufswahl betrifft, haben wir inDeutschland heute sehr viel mehr Möglichkeiten als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Aber: Die zahlreichen Optionen führen meist nicht in die ersehnte Freiheit, nicht ins erfüllte Leben. Es ist, als stünden wir am Hauptbahnhof vor der großen Anzeigetafel. Weil viele nicht wissen, wohin sie wollen, fällt es ihnen schwer, sich für den richtigen Zug zu entscheiden.

Sie bleiben ratlos vor der Anzeigetafel stehen – und werden dabei immer unglücklicher.

Das ist der Punkt, an dem viele meiner Klienten stehen, wenn sie ins Coaching kommen: Ihr Leben sieht von außen betrachtet gut aus, sie verdienen genug Geld, sind erfolgreich und für Ihre Arbeit manchmal sogar mit Preisen ausgezeichnet worden – aber innerlich fühlen sie sich leer. Sie wünschen sich Klarheit und Orientierung, mehr Schubkraft und Freude im Leben. Und vor allem Sinn. Eine Vision!

Altkanzler Helmut Schmidt sagte einmal: „Wer Visionen hat, muss zum Arzt.“

Nichts gegen Helmut Schmidt, aber die 70er und 80er Jahre sind längst vorbei. Arbeiten nur für Geld war gestern. Heute und in Zukunft geht es immer mehr um Sinn. Statt reines Know-how ist zunehmend Know-why gefragt. An einer starken Vision kommen wir da nicht vorbei.

Mag sein. Aber sehr viele Menschen zweifeln immer wieder an ihren Lebensentscheidungen und ihrer Berufswahl. Ist das letztlich nicht einfach ein Zeichen von Intelligenz? Das eigene Leben ist vielleicht ganz okay, aber es könnte irgendwie noch besser sein?

Genau da kommt die Lebensvision ins Spiel. An einer starken Vision zu arbeiten, sie greifbar zu machen und auszuformulieren, ist deshalb so wichtig, weil sich alle Lebensziele und die dafür notwendigen Entscheidungen an ihr ausrichten können. Die Vision ist wie ein Leuchtturm, der auch bei widrigen Verhältnissen dafür sorgt, dass wir uns nicht verirren. Sie ist das große Ganze, das uns hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, an den richtigen Stellen Nein zu sagen und klare und mutige Entscheidungen für die richtigen Züge im Leben zu treffen. Eine starke Vision entfaltet die Kraft, die wir brauchen, um unser Leben in die Hand zu nehmen. Oder wie Mahatma Ghandi sagte: „It´s not the man that makes the vision, it´s the vision that makes the man.

Psychotherapeuten studieren viele Jahre an der Uni und machen dann eine lange Spezialausbildung. Du hast als Auslandsjournalist zwei Jahrzehnte lang aus Krisen- und Kriegsgebieten wie Somalia, Afghanistan, Libyen oder dem Kongo berichtet. Reicht das als Voraussetzung für deine Arbeit mit Menschen, die vor schwierigen Herausforderungen stehen? Oder hält du dich für ein Naturtalent?

(lacht) Ich gehe seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der Grundhaltung des Coachs durch die Welt: fragend, neugierig, bewertungsfrei, offen. Nach meiner zweijährigen Ausbildung zum Master Life Coach und mehr als tausend Coachings weiß ich, dass meine Erfahrungen in Krisengebieten besonders wertvoll sind. Bei allem, was ich dort gesehen und erlebt habe, wirft mich als Coach so schnell nichts um. Von dieser inneren Stabilität profitieren auch die Menschen, die ich in Veränderungsprozessen begleite.

Coaching als kleiner Bruder der Psychotherapie?

Psychologen versuchen meist kranke Menschen zu heilen. Als Coach unterstütze ich gesunde Menschen, die mehr vom Leben wollen. Im Coaching richten wir den Blick nach vorne. Es geht um persönliche Potentiale, attraktive Ziele und stimmige Strategien. Als Journalist hat mich in Krisengebieten immer wieder die Kraft und der Wille der Menschen zu positiver Veränderung beeindruckt. Dort habe ich gelernt, dass wir uns in jeder Lebenslage auf unsere Stärken und Fähigkeiten verlassen können. Wir sind mit beeindruckenden Ressourcen ausgestattet, mit denen wir unsere Träume, Wünsche und Ziele anstreben und verwirklichen können. Vorausgesetzt wir haben eine klare Vision.

Ja?

Absolut! Ich gebe dir ein Beispiel: In den 1990ern fragte ich Nelson Mandela in Südafrika, was ihm unter dem Apartheid-Regime die Kraft gegeben hatte, 27 Jahre lang im Gefängnis durchzuhalten. Mandela lächelte und sagte: „Die Gewissheit, dass Schwarze und Weiße in Südafrika eines Tages nebeneinander im Bus sitzen dürfen.“ Für seine Vision von einer Gesellschaft mit gleichen Chancen für alle kämpfte Mandela mit immenser Entschlossenheit und hohem Einsatz – bis die Apartheid besiegt war. Für mich als Coach bedeutet das: Eine starke Vision setzt ungeahnte Kräfte frei. Sie schenkt uns innere Klarheit und Fokus, beides Grundvoraussetzungen für mehr Freude, Intensität und Sinn im Leben.

Geht es den meisten Menschen im Beruf nicht vor allem um Geld und Karriere?

Viele Menschen verwechseln Visionen mit Zielen.Geld, Beförderung, gute Noten, das Idealgewicht, die Bestzeit beim Sport – das sind alles Ziele. Sie beantworten die Frage nach dem Was. Eine Vision hingegen fragt nach dem Warum, also nach dem Sinn. Was will ich im Leben bewirken? Welche Spuren will ich hinterlassen? Wer außer mir hat noch etwas davon? Eine starke Vision ist das konkrete und motivierende Bild von einem Zustand, den wir im Leben erreichen wollen.

Nicht jeder ist ein Mandela.

Na und? In Berlin-Kreuzberg, wo ich wohne, ist mir kürzlich ein Straßenreiniger aufgefallen. Seine Kollegen arbeiteten missmutig. Er hingegen sang und wirkte sehr zufrieden, während er Plastikbecher und Zigarettenstummel aufsammelte. Als ich den Mann nach seiner Arbeit fragte, antwortete er: „Ich sorge dafür, dass sich Menschen in den Straßen von Berlin wohlfühlen.“ Eine starke Vision.

Und wenn man schlicht nicht der visionäre Typ ist?

Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch bereits eine Lebensvision hat. Nur wissen das die wenigsten. Kaum jemand kann seine Vision in Worte fassen. Ihre volle Kraft entfaltet sie aber erst, wenn sie als Leitbild formuliert im Alltag präsent und abrufbar ist. Für mich gibt es einen sehr sicheren Weg, eine Vision aufzuspüren: Er führt über die Begeisterung eines Menschen. Wofür brennst du wirklich? Bei welcher Tätigkeit vergisst du die Zeit? Wofür brauchst du keine äußere Motivation, weil diese von innen heraus ganz von selbst entsteht? 

Wann hast du selbst deine „Vision“ gefunden?

Im Alter von 27 Jahren. Mitte der Neunzigerjahre war ich Jungmanager in Paris. Tolles Gehalt, teure Anzüge, Apartment in der Stadt der Liebe. Doch meine Arbeit hatte nichts mit mir zu tun, mein Leben fühlte sich sinnlos an. Ich kündigte und reiste mit dem Rucksack durch Lateinamerika. Zwei Jahre lang lebte ich bei indigenen Völkern in Mexiko, den Anden und im Amazonas, lernte fremde Sprachen und Kulturen kennen – und entdeckte meine Faszination und Leidenschaft für die Menschen. Nach meiner Rückkehr verwirklichte ich meinen Kindheitstraum und wurde  Auslandsjournalist.

Wieso dann Coach, wenn Reporter Ihr Lebenstraum war?

Lernen, Wachsen, Next Level – nach zwei Jahrzehnten wollte ich einfach weiter,  mich entwickeln, entfalten, neue Horizonte erkunden. Als Journalist habe ich mit Leidenschaft und vollem Einsatz aus vergessenen Paradiesen und aus Krisen- und Kriegsgebieten berichtet. Ich schrieb, um Menschen und Dinge in Bewegung zu bringen. Diese Vision leitet mich auch als Coach:Am Ende will ich auf ein spannendes und selbstbestimmt geführtes Leben zurückblicken. Ich will mich eingebracht und für nachhaltige positive Veränderungen gekämpft haben. Das mag pathetisch klingen, aber was soll´s: Ich will die Welt einfach ein Stück besser machen. Als Coach bringe ich Menschen in ihre Kraft, denn nur wenn wir in unserer Kraft sind, können wir gute Entscheidungen treffen. Für uns selbst, für unsere Gemeinschaft und den Rest der Welt.

Wie lange brauchst du als Coach, bis deine Klienten eine Lebensvision entwickelt haben?

In der Regel genügen zwei halbe Tage. Oft gibt es echte Gänsehaut-Momente, moments of truth, in denen ein Klient völlige Klarheit gewinnt. Ein Manager aus der Filmbranche kam vor einiger Zeit ins Coaching und sagte, er sei „eigentlich ganz glücklich“. Er war Anfang 50 und beruflich sehr erfolgreich. Doch seine Augen wirkten matt, seine Gesten schlaff. Er sagte, er komme morgens kaum aus dem Bett und habe Angst vor einem Herzinfarkt. Im Coaching erarbeitete er seine Vision: ein Leben im Süden, am Meer, ein eigenes kleines Hotel in Spanien. Sie hätten ihn sehen sollen! Er wirkte auf einmal wie verwandelt, seine Augen leuchteten, sein Rücken richtete sich auf, er sprühte vor Energie. Das war es! So wollte er leben!

Entschuldige, dass ich grinse. Aber das klingt so nach Klischee: Leben am Meer statt Manager. Oder Yogalehrerin auf Bali statt Chefsekretärin. Vielleicht wäre jemand auch gerne Maler in Paris. Hat dein Klient denn auch ein paar Tage versucht, als Hotelier zu arbeiten? Vielleicht ist das gar nicht so romantisch?

Da sprichst du einen wichtigen Punkt an. Eine starke Vision will erkämpft werden. Die gute Nachricht: Wenn du einmal für dich herausgefunden hast, wie du wirklich leben willst, kannst du auf ganz andere Kräfte zurückgreifen. „Ich arbeite dreimal so viel wie vorher“, sagte der Manager, als er sein Hotel in Spanien anging. „Und fühle mich stärker und frischer denn je.“

Und wenn ich es nicht schaffe, meine Vision umzusetzen? Wenn ich am Ende unglücklicher bin als zuvor?

Im Coaching entwickeln wir einen konkreten Plan und praktikable Einzelschritte, damit deine Vision, deine Ziele und deine Strategien zusammenpassen und sich gegenseitig stärken. So fassen wir dein Vorhaben und machen es möglich. Egal, wie groß es ist.

Oder eben nicht. In meinem Leben jedenfalls ließ sich nicht jeder Traum ermöglichen, selbst wenn die Begeisterung und der Einsatz stimmten. Mal ehrlich, bist du nie mit einem Traum – oder sagen wir mit einer „Vision“ – gescheitert?

Da halte ich es mit dem amerikanischen Visionär Edison. Über seinen Weg zur Erfindung der Glühlampe sagte er: „Ich bin nicht gescheitert, ich habe nur 10 000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.“ Und am Ende funktionierte es eben doch: Dank seiner Erfindungen bekam die ganze Welt elektrisches Licht.

Was ist aus dem Manager und seinem Hotel in Spanien geworden?

Er hat ein kleines Haus in einem idyllischen Ort an der Costa Brava gekauft. Er besichtigt geeignete Grundstücke. Er reist viel, trifft erfolgreiche Hoteliers, lässt sich von spannenden Häusern inspirieren. „Ich fühle mich wieder so lebendig“, sagte er, als wir uns kürzlich trafen. „Mein Hotel wird viele Menschen glücklich machen – alles macht wieder Sinn.“ Vielleicht klingt das in deinen Ohren jetzt wieder pathetisch oder kitschig. Aber ich denke, das ist dann dein Problem.

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